Gewinnwarnung - Die Lokomotiven bleiben im Depot
2008-11-29 Dieses Jahr werden etwa 400'000 Zuschauer einen Schweizer Film im Kino angesehen haben. Dies entspricht einem Marktanteil von knapp 3%, der tiefste seit 2001. Bemerkenswert ist auch, dass kein einziger Film annähernd an 100'000 Zuschauer heran kommt: Einzig die deutsch-schweizerische Koproduktion NORDWAND wird wohl knapp 60'000 Zuschauer erreichen. Das hat es seit den neunziger Jahren noch nie gegeben. Branchenkenner sind nicht erstaunt: 2005 ist der neue Filmchef Nicolas Bideau mit dem Anspruch angetreten, publikumsstarke Filme sollten den ganzen Schweizer Film in den Erfolg ziehen. In der Folge sollten die Produzenten teurere Filme vorschlagen, die dann aber nicht finanziert werden konnten - andererseits führte eine neue restriktive Vergabepraxis zur Ausbremsung der Produktion. Fazit: 2007 wurde sehr wenig produziert, und die neue Förderpolitik hat noch keinen einzigen Blockbuster hervorgebracht.
Bideau gibt jedoch nicht auf: Zwei Jahre brauche er noch, um Bilanz zu ziehen, sagt er in einem Interview mit 24 Heures vom Donnerstag, und startet gleich die nächste Initiative: Zusammen mit von ihm ausgewählten Produzenten soll in Zürich eine Industrie aufgebaut werden: "Le pari est d'opérer avec un petit groupe de producteurs pros et motivés une mini-hollywoodisation à partir de Zurich et de placer quelques gros succès entre MAMMA MIA! et les CH'TIS."
Wir meinen: Bideau hat kein Mandat für eine Strukturbereinigung der Schweizer Filmbranche. Gebraucht ist wieder jemand in Bern, der zuhören kann, konsensfähig ist und das Filmgesetz im Wortlaut und im Sinn nachlebt, "die Vielfalt und Qualität des Filmangebots sowie das Filmschaffen fördern und die Filmkultur [zu] stärken".
Ein positiver Aspekt lässt sich aus den Statistiken herauslesen: Dem Schweizer Dokumentarfilm geht es gut. Seit zehn Jahren erreichen immer mehr Filme ein beachtliches Publikum, während in den neunziger Jahre mehr als 10'000 Zuschauer eine Ausnahme waren. Dies hat im wesentliche zwei Gründe: Die Erfolgsförderung Succès Cinéma, die den Dokumentarfilm absichtlich bevorteilt, und die unermüdliche Arbeit von einigen Verleihern und Kino, die in den letzten Jahren ohne grosse Worte ein eigentliches Publikum aufgebaut haben.