Schweizer Film - Wie konnte es nur soweit kommen?
2010-04-01
Erstunterzeichner/innen: Jacob Berger, Lionel Baier, Jean-Stéphane Bron, Richard Dindo, Christian Frei, Markus Imhof, Alexandre Iordachescu, Kaspar Kasics, Peter Liechti, Rolf Lyssy, F.Christophe Marzal, Ursula Meier, Frédéric Mermoud, Fredi Murer, Patricia Plattner, Dominique de Rivaz, Samir, Georges Schwizgebel, Alain Tanner, Mathias Von Gunten, Nicolas Wadimoff, Stina Werenfels, Romed Wyder
April 2010
Wir, die Schweizer Filmschaffenden, erfahren mit Verwunderung, dass es in der Sektion Film ein Projekt geben soll zur Schaffung eines Systems mit Intendanten-Kommissaren. Letztere sollen die heutigen Expertenausschüsse ersetzen und hätten die Aufgabe, Schweizer Filmprojekte zu steuern, von der Entwicklung bis zur Realisierung.
Diese Methode, eine unausgegorene Kopie des dänischen Systems, soll den Vorteil haben, eine dauerhafte und organische Beziehung zwischen der Sektion Film, den Produzenten und den Drehbuchautoren-Filmregisseuren herzustellen. Haben Fatalismus und Enttäuschung wirklich so sehr um sich gegriffen, dass die Filmproduzenten und -regisseure dieses Landes inzwischen bereit sind, sich einer derart drakonischen Regression zu unterwerfen?
Eine demokratische Regression zuerst. Wie kann man sich vorstellen, ein Filmprojekt auf Gedeih und Verderb einer einzigen Person auszuliefern, während doch alle Reformen der letzten Jahrzehnte in diesem Land, wie überall in Europa, darauf hinausliefen, Transparenz, Vielfalt und Pluralität innerhalb der Entscheidungsgremien zu stärken, insbesondere im Kulturbereich?
Dann eine professionelle Regression. Seit rund fünfzehn Jahren lautet die Leitidee bei der Sektion Film und im BAK, wie auch innerhalb der gesamten audiovisuellen Branche: Professionalisierung des Produzentenberufs. Wie um alles in der Welt sollte es möglich sein, diesen Anspruch auf selbstverantwortliches Handeln mit dem Wirken von Intendanten-Kommissaren, ausgestattet mit umfassenden Vollmachten, in Einklang bringen, deren Rolle es wäre, diese privaten Unternehmer – was Filmproduzenten nämlich sind – zu kontrollieren, mit strenger Hand zu führen?
Schliesslich und nicht zuletzt eine künstlerische Regression. Denn nun wären es nicht mehr die kreativen Schöpfer (die Drehbuchautoren und die Filmregisseure) und auch nicht die Unternehmer (die Produzenten und die Verleiher), die das Bestimmungsrecht über das Filmschaffen in diesem Land hätten, sondern Staatsangestellte, wie in den düstersten Stunden der bürokratischen und totalitären Regimes des vergangenen Jahrhunderts!
Wie konnte es nur so weit kommen?
Seit nunmehr drei Jahren lässt die Sektion Film vom BAK nichts unversucht, um die Rolle der kreativen Schöpfer und der Produzenten einzuschränken, um die Position einer Handvoll von Beamten zu stärken. Diese selbsternannten Bosse des Schweizer Films scheinen alles zu beherrschen, was mit der kreativen Arbeit zu tun hat. Der grösste Schweizer Filmstar ist übrigens weder Schauspieler oder Filmregisseur noch Produzent, und auch nicht TV-Moderator, sondern schlicht und ergreifend der Chefbeamte dieser Sektion Film! Das lässt tief blicken in die Abgründe, in welche diese Institution abgesunken ist, deren statutengemässer Zweck darin besteht, das Schweizer Filmschaffen zu fördern, seine Vielfalt zu gewährleisten und seine internationale Wirkung zu stärken. Stattdessen hat sie sich in den letzten Jahren zu einer regelrechten Regierung des nationalen Films ausgewachsen.
Heute entscheidet die Sektion Film, wer was macht. Die Sektion Film entscheidet, wer mit wem arbeitet, wer welches Projekt entwickelt, was gut oder schädlich für dieses oder jenes Projekt ist. Die Sektion Film entscheidet, welches Budget für welche Produktion geeignet ist, welcher Film das Glück der Schweizer Herkunft erfährt und welcher nicht. Die Sektion Film entscheidet, welche Produzenten, welche Filmregisseure, welche Drehbuchautoren heute in der Filmbranche den Ton angeben, wer die has beens sind, und wer die never will be. Diese systematische und massive Einmischung in die Arbeit der Schöpfer, der Unternehmer und sogar der Kommentatoren (bisher der Kritik vorbehaltene Rolle) wird letztendlich in unserer Branche derartige Konflikte auslösen, für derartige Pleiten und Krisen sorgen, dass es unsere Pflicht ist, diesem Gebaren unverzüglich Einhalt zu gebieten.
Wir rufen alle Filmregisseure, Drehbuchautoren, Filmtechniker und Produzenten auf, zu protestieren gegen dieses kafkaeske, absurde und rückwärts gerichtete Projekt der Schaffung von Intendanten-Kommissaren. Wir rufen auf zur Rückeroberung der kreativen und künstlerischen Macht durch die Filmregisseure, Drehbuchautoren und Produzenten. Vereint sollen sie auftreten und den Respekt vor den Filmen und dem Publikum erwirken. Wir fordern schliesslich die Aufhebung der Regierung des Schweizer Films durch Beamte, ein Zustand, der keinerlei Berechtigung hat in einer Demokratie, die ihren Namen verdient.
Petition unterschreiben: http://www.petitionduweb.com/Cinema_Suisse-6756.html