DV:Ton

von Dieter Meyer (Tonmeister)

Dieser kurze Abriss bezieht sich auf die Papiere, die während des Seminars verteilt wurden. Die Details finden sich darin. Die folgenden Bemerkungen beziehen sich auf den Dreh mit der Kamera VX-1000, welche bis jetzt am meisten für den Dokumentarfilm benutzt wurde. Gewisse der erwähnten Probleme wurden unterdessen mit neueren oder professionelleren Kameras teilweise gelöst.

Der Ton auf MiniDV: technische Daten

Wenn das Bild der DV sich dem professionellen Bild annähert, so muss der Ton auf MiniDV gegen eine Reihe von Widerwärtigkeiten ankämpfen, die ihn eindeutig auf der Amateurseite festhalten. Ein kurzer Vergleich zwischen den technischen Daten von DV und DAT zeigt dies deutlich:

- Mini DV DAT
Abtastfrequenz 32 KHz 48 KHz
Dynamik 12 bit 16 bit

Während der Unterschied zwischen den Frequenzen noch akzeptabel wäre, sind die Unterschiede bei der Dynamik enorm. 16 bit erlauben 64000 (2 hoch 16) verschiedene Lautstärken, 12 bit nur 4000 (2 hoch 12). Dies bedeutet viel mehr Rauschen.

Der grosse Qualitätsunterschied zwischen MiniDV und DAT kann vielleicht mit Filtern verdeckt werden, wenn man dann aber in der Postproduktion ist, Kopien zieht, den Ton bearbeitet und seine Reserven ausschöpft, werden die Unterschiede sehr hörbar.

Anderes grosses Problem: Es ist nicht möglich, die beiden Tonspuren getrennt auszusteuern.

Um eine professionelle Qualität zu erreichen, muss der Ton deshalb auf einen anderen Träger aufgenommen werden.

Separater Direktton, Führungston und Time Code

Wie beim Bild muss man zuerst an das Endresultat des Tones denken und an den Typ des Filmes, den man produzieren will, um die am besten geeignete Lösung zu finden: Ist der Film für das Kino gedacht oder für das Fernsehen? Welches sind die Drehbedingungen? Welches die Bedingungen der Postproduktion?

Beim separater Direktton auf einen anderen Träger (DAT, Nagra) stellen sich zwei grundsätzliche Probleme: Wie kommt der Führungston auf die Bildkassette und wie wird bei der Postproduktion der Ton an das Bild angelegt?

Man kann das Kameramik für den Führungston benutzen, aber dieses ist manchmal von schlechter Qualität: Die Kamera arbeitet zum Beispiel mit langen Brennweiten und ist weit vom Bildobjekt entfernt, oder man dreht auf einem lauten Set (Interview am Strassenrand oder bei einem Wasserfall). Eine andere Lösung besteht darin, den Ton vom DAT oder vom Nagra via Kabel auf die DV-Kassette zu übertragen, was jedoch die Bewegungsfreiheit sowohl des Kameramanns wie des Toningenieurs beeinträchtigt. Die beste Lösung, aber auch die teuerste, ist ein Funksender beim DAT und ein Empfänger auf der DV-Kamera.

Wer von Führungston spricht, muss auch an das Anlegen des Originaltons denken. Und damit an den Time Code. Es ist wichtig, dass beim Dreh der Time Code des DAT auf die DV-Kassette übertragen wird. Wenn der Ton-Time Code auf der DV-Kassette fehlt, dauert die Arbeit des Tonanlegens wesentlich länger. Dann muss man empirisch mit Klappennummern und Tonrapporten nach den Originaltönen suchen, die den Führungstönen entsprechen. Man muss auch darauf achten, dass der Time Code in der ganzen Postproduktion erhalten bleibt. Beim Bildschnitt auf dem Avid ist man manchmal versucht, von den beiden Tonspuren (Führungston und TC) den Time Code zu entfernen, da er scheinbar unnötig Tonspuren und Speicherplatz verschwendet. Wenn jedoch der Time Code einmal weg ist, sind alle Bezüge zum Originalton verloren.

Tonkonzepte beim DV-Ton

Wenn die DV-Kamera dank ihrer kleine Grösse eine grössere Beweglichkeit und Bedienungsfreundlichkeit hergibt, so gilt das nicht für den Ton, der nun plötzlich ein etwas sperriger Begleiter ist. Der Kameramann verschwindet im Dekor, geht als Tourist durch und kann dank den Zoom sich beliebig dem Bildobjekt annähern. Der Toningenieur arbeitet jedoch mit der gleichen Technik wie im Film. Mit seinem Mikro und seiner Stange bleibt er weiterhin gut sichtbar. Er kann sich auch nicht per Knopfdruck beliebig seinem Bildobjekt an&endash;nähern.

Da der Kameramann sich nicht mehr von der Kamera löst, um das Bild neu zu gestalten, und da die rote Kontrollanzeige der Kamera fast unsichtbar ist, weiss der Toningenieur meistens nicht, ob die Kamera dreht oder nicht. Resultat: Der Ton dreht durchgehend.

Es liegt am Toningenieur, die Lösungen zu finden, um der unprofessionellen Qualität des DV-Materials zu begegnen. Oft sind diese Lösungen teuer. Im Gegensatz zum Bild ist man hier mit erhöhten Kosten konfrontiert: mehr Materialmiete und mehr Verbrauchsmaterial.

Das Tonkonzept eines Filmes auf DV ist auch durch diese Bedingungen beeinflusst: Da der Toningenieur weder weiss, was der Kameramann gerade dreht, noch, wer im Bild sich nächstens äussern wird, hat er die Tendenz, einen eher allgemeineren, weniger präsenten Ton zu wählen.

Oft wird auch bei DV-Drehs aus wirtschaftlichen Gründen kein Toningenieur mehr angestellt. Der Kameramann und die Regie haben dann die grösste Mühe, sich neben ihrer Arbeit noch um den Ton zu kümmern. Neben gewissen Überraschungen (stumme Einstellungen, übersteuerter oder zu leiser Ton) und den fehlenden Tonrapporten sieht man sich nach dem Dreh Kassetten gegenüber, wo jeder Hinweis auf Datum und Inhalt fehlt. Wenn auch die Regie und Kamera manchmal beste Absichtserklärungen machen (zum Beispiel, den Ton nach jeder Einstellung zu kontrollieren), so fehlt in der realen Drehsituation oft die Zeit, diese durchzuhalten.

Es ist besser, mit einer erfahrenen Equipe zu arbeiten, um dem Amateurismus des MiniDV-Tons zu begegnen.

Und dass man sich keine Illusionen mache! Der Ton wird nicht kleiner werden. Die Mikrophone werden immer eine gewisse Oberfläche haben. Und auch wenn die Kameras und die Aufnahmegeräte immer besser und kleiner werden, so wird man immer den Ton suchen und das Mikrophon möglichst nahe der Tonquelle plazieren müssen.

Ein Focal-Seminar unterstützt von Swiss Effects
Konzept: Tommaso Vergallo, Ueli Nüesch und Matthias Bürcher
Organisation: Elizabeth Waelchli
(Genf, 27. und 28. Februar 1998)
Zusammenfassung: Nicole Borgeat
Deutsche Übersetzung: Matthias Bürcher
Fürs Gegenlesen sei gedankt: Elizabeth Waelchli, Tommaso Vergallo, Ueli Nüesch