DV:FAZ von sehr klein auf sehr gross
von Ueli Nüesch (Kameramann und Mitarbeiter bei Swiss Effects)
Von sehr klein auf sehr gross
Der FAZ erlaubt es, ein für den Monitor gedachtes elektronisches Bild in ein Filmbild zu verwandeln, das auf eine grosse Leinwand projiziert wird. Das Ziel des FAZes ist nicht, 35mm nachzumachen, was auch nie gelingen würde. Es ist besser, ihn als eigene Sprache für sich zu behandeln.
Die Vergrösserung vom Monitor auf die Leinwand ist schon riesig, sie wird aber geradezu phantastisch, wenn man die Dimensionen des DV-Formates anschaut. Eine kleine Videokamera, die fast nichts kostet und auf deren ein Bild gerade einen Streifen von 0.01mm Breite belegt, erlaubt es, einen Kinofilm zu machen.
Wegen diesem Vergrösserungsfaktor erscheinen gewisse Fehler erst auf der Leinwand. Das Zielformat ist darum klar zu definieren, und man muss sorgfältig auf Bild- und Tonqualität achten, wenn man weiss, dass ein Projekt für den FAZ konzipiert ist.
Das Format PAL als Grenze
Die technische Entwicklung erlaubt es heute, immer mehr Informationen auf immer weniger Platz unterzubringen. Die Qualität des Bildformates ist jedoch auf den europäischen PAL-Standard von 576 x 768 Pixel (genauer: 576 x 720 non square pixels) limitiert. Im Amateursektor nähert sich DV immer mehr dieser Norm. Zukünftige Fortschritte hängen somit von der Definition eines neuen Standards ab.
Junge Techniken
Video und FAZ sind relativ neue Techniken. DV hat erst gerade begonnen. Im Gegensatz zum Film, wo alle Arbeitsschritte klar eingespielt und Normen definiert sind, gibt es bei Video keine Anhaltspunkte. Es genügt, sich folgende einfache Frage zu stellen, um sich dessen bewusst zu werden: "Ist Beta SP besser als DV?" Wie wir gesehen haben, widerspricht die subjektive Antwort auf diese Frage der objektiven, rein technischen Antwort.
Der FAZ ist keine Standardtechnik. Jeder neue Film ist ein Einzelfall, für den angepasste Lösungen gefunden werden müssen.
Die Möglichkeiten der DV in bezug auf den FAZ
Für genaue Infomationen zu den Einstellungen sei auf das von Swiss Effects im Seminar verteilte Merkblatt verwiesen.
Veränderungen der Einstellungen
Die DV-Kameras können in ihren Grundeinstellungen verändert werden, womit die Qualität des Videobildes und damit des FAZes optimiert werden kann. Man kann die Schärfe, die Bildverstärkung, den Kontrast, die Detailwiedergabe und den Gammawert beeinflussen. Die Einstellungen hängen vom gefilmten Objekt, aber auch vom gewählten Stil und vom persönlichen Geschmack ab. Zu bemerken ist jedoch, dass eine Reduktion der Detailwiedergabe die Wiedergabe für den FAZ spürbar verbessert.
Bildformat
16:9, sei es technisch gesehen "echt" (ein 16:9 CCD-chip) oder "falsch" (ein Teil des 4:3 chips wird für das 16:9 benutzt) nähert das Videoformat dem Kinobild an. Der 35mm-FAZ kann ohne wesentliche Bildausschnittkorrektur realisiert werden.
Bildfenster
Bei der Kadrierung muss auf das Projektions-Cache Rücksicht genommen werden. Die Bildränder sind bei der Projektion leicht beschnitten (ungefähr 5%).
Schärfe- und Belichtungsautomatik
Die Schärfe- und Belichtungsautomatiken der DV-Kameras sind verlockend, aber bei Grenzfällen, insbesondere bei wenig Licht, ist die Automatik eine regelrechte Behinderung für eine professionelles Arbeit. Die automatische Schärfe insbesondere hat die Tendenz zu schwingen, was auf der grossen Leinwand sehr gut sichtbar ist.
Belichtungszeiten (Shutter speed)
Im Gegensatz zu älteren Videokameras kann bei den DV-Kameras die Belichtungszeit verändert werden. Bei günstigen Lichtverhältnissen kann somit die Belichtungszeit verkürzt und ein schärferes Bild erreicht werden. Beim FAZ ergibt sich dann aber ein unerwünschter Effekt. Der FAZ fügt die beiden Video-Halbbilder zu einem Filmbild zusammen. Wenn sich die Informationen der Halbbilder zu stark unterscheiden, ergibt sich eine Art Doppelbelichtung auf Film und ein unästhetischer Hackeffekt. Dasselbe Problem stellt sich bei schnellen, insbesondere horizontalen Kamerabewegungen auf einem fixen Objekt.
Kritische Punkte
Man sollte besonders aufpassen bei wenig Licht und bei hohen Kontrasten.
Kassetten
Der Bildträger ist sehr empfindlich und nicht zum Ausmustern geeignet, noch weniger für einen direkten Schnitt ab DV. Die Nachteile einer billigen Schnittlösung werden beim Fazen sichtbar: Drop outs, die wegen dem Ausmustern auf DV entstanden, können fast nicht wieder entfernt werden.
Digitalzoom und Bildstabilisator (Steady shot)
Für einen FAZ sollte weder der Digitalzoom noch der elektronische Steady shot benutzt werden, die beide mit Auflösungsverlust und schlechterer Bildqualität verbunden sind. Der optische Steady shot hingegen kann benutzt werden.
Effekte
Digitaleffekte sollten aufmerksam überwacht und nur auf hochqualitativen Geräten (4:2:2 oder 4:4:4 Farben, 10 bit Farbtiefe) ausgeführt werden.
Titel und Untertitel
Titel und Untertitel können auf Video gemacht werden, jedoch nur in Ganzbildern (Frame-Mode). Bei Lauftiteln muss auf die richtige Geschwindigkeit geachtet werden, um ein Rattern oder eine allgemeine Unschärfe zu verhindern. Die Titel können auch traditionell auf Film oder nach digitalen Daten elektronisch hochauflösend hergestellt werden. Dieselben Ratschläge gelten für Animationen.
Die klassischen Laser-Untertitel auf der fertigen Filmkopie erlauben es, verschiedene Sprachversionen herzustellen, was bei gefazten Untertiteln auf dem Negativ natürlich nicht geht. Nur normale Zeichen sind bei Laser-Untertiteln möglich.
Nach der Untertitelung des Filmes stellt sich die Frage der Video-Untertitelung. Im besten und auch teuersten Fall wird die Untertitelung auf dem Videomaster hergestellt. Es ist auch möglich, die Filmkopie mit den Untertiteln abzutasten, dabei kann aber, wegen dem doppelten Transfer Video-Film-Video, im Bild eine Struktur entstehen, die eine neue Qualität hat, weder richtig Film noch richtig Video.
Die Qualität der Titel sollte derjenigen des Bildes allgemein entsprechen. Hervorragende Titel neben technisch mittelmässigen Bildern können schockierend wirken. Aus diesem Grund werden manchmal die Titel auf Video gemacht.
FAZ-Test
Ein Test (der Trailer zum Beispiel) erlaubt es, die Bildeinstellungen zu machen, sich aber auch der unterschiedlichen Wahrnehmung zwischen dem vom Schnitt altbekannten Monitorbild und dem grossen Leinwandbild bewusst zu werden. Kontrast und Farben werden anders wahrgenommen, wenn das Auge neu im Innern des grossen Bildes wandert. Das Bild erscheint dem Auge, das sich monatelang an die lauen Farben und die Avid-Auflösung gewöhnt hat, manchmal sehr schrill. Der Test gewährt den Übergang an die neue Bildqualität.
Zwei Lichtbestimmungen
Der gefazte Film wird zweimal lichtbestimmt: ein erstes Mal beim online-Schnitt und ein zweites Mal bei der Filmkopie.
Nach der Video-Lichtbestimmung kann das Bild nur bedingt verändert werden. 10-bit-Formate wie Digibeta, die sich visuell nur wenig von 8-bit-Formaten unterscheiden wie zum Beispiel Digital S, bieten einen grösseren Lichtbestimmungs-Spielraum. Die grössere Menge von Informationen im 10-bit-Format erlaubt es, auch nach der Lichtbestimmung noch auf das Bild einzuwirken.
Der Schwarzwert sollte nicht verändert werden, um nicht Informationen zu verdecken. Er sollte für den ganzen Film konstant bleiben. Auf dem geschnittenen Band kann beim FAZ nur mit grossem Aufwand interveniert werden.
Dunkle Bilder, die beim Fernsehen nicht mehr akzeptierbar sind, können oft noch gefazt werden. Das Filmmaterial gibt die Details in den Schatten besser wieder als der Videomonitor.
Gewisse Korrekturen sollten hingegen schon beim online-Schnitt vorgenommen werden, wie diejenigen des Weissabgleichs, welche zum Beispiel die Hauttöne beeinflussen.
Die zweite Lichtbestimmung auf dem gefazten Film unterscheidet sich von der klassischen Filmlichtbestimmung. Es gibt im Gegensatz zur Filmproduktion keine Arbeitskopie als Referenz. Es ist deshalb angeraten, ein Kurzbild zu fazen. Dieses besteht aus den ersten und letzten fünf Bildern und ermöglicht mehrere Tests der Lichtbestimmung in kleinen Meterlängen und damit eine exzellente erste Nullkopie. Das oben erwähnte Programm von Matthias Bürcher (EDLWriter, http://www.belle-nuit.com) erlaubt ebenfalls die automatische Herstellung einer EDL-Kurzbildliste nach einer bestehenden EDL.
Projektionsgeschwindigkeit
Der Filmpojektor projiziert 24 Bilder pro Sekunde gegenüber 25 Bildern pro Sekunde bei Video (das an die 50 Hz des Stromnetzes gebunden ist). Der Film ist dementsprechend länger, die Bilder und der Ton um 4% verlangsamt. Während dies beim Bild fast nicht sichtbar ist, spürt man die tiefere Tonfrequenz (eine Terz) deutlich. Dieser Unterschied kann mit einem Harmonizer kompensiert werden, während oder nach der Mischung, aber vor der Dolby-Codierung.
Rollentrennung
Die Labors arbeiten mit Aktlängen von maximal 590m. Die Videokassetten müssen deshalb in Akte von höchstens 52'30" bei 16mm bzw. 20'30" bei 35mm aufgetrennt werden.
Im Schneideraum muss ein harter Bild- und Tonschnitt an dieser Stelle festgelegt werden, um den Aktwechsel zu ermöglichen.
Ein Focal-Seminar unterstützt von Swiss Effects
Konzept: Tommaso Vergallo, Ueli Nüesch und Matthias Bürcher
Organisation: Elizabeth Waelchli
(Genf, 27. und 28. Februar 1998)
Zusammenfassung: Nicole Borgeat
Deutsche Übersetzung: Matthias Bürcher
Fürs Gegenlesen sei gedankt: Elizabeth Waelchli, Tommaso Vergallo, Ueli Nüesch